LichtKunstSpiele 2018: KönigsB(l)au
An diese historische Festtradition knüpft die Bayerische Schlösserverwaltung in der Residenz im Jubiläumsjahr 2018 an, indem nicht nur der Stiftung der ersten bayerischen Verfassung (1818), sondern auch der Ausrufung des Freistaats Bayern samt der Gründung der Bayerischen Schlösserverwaltung (1918) gedacht wird: Den Ausgangspunkt bildet eine historische Festillumination der königlichen Residenzstadt München im Februar 1824: Damals ließ der Magistrat anlässlich des 25-jährigen Regierungsjubiläums König Max' I. Joseph eine aufwendige Lichtarchitektur auf dem Maximiliansplatz westlich der Residenz errichten: In einem gewaltigen Arkaden-Oval zeigten 25 beleuchtete Transparentgemälde in einer Art begehbaren Bilderchronik vorbildliche Herrschertaten des gefeierten Landesvaters. In eigens angefertigten Lithographien wurde dieses kurzlebige Kunstwerk aus Licht, Architektur und Malerei der Nachwelt überliefert.
Das zeitgenössische Kunstwerk in der Tradition der ephemeren Festkultur
Diese Linienzeichnungen des 19. Jahrhunderts dienten dem international tätigen Installationskünstler Ingo Bracke als Grundlage für seine Neuschöpfung „KönigsB(l)au“.
Aus Licht und Bild, verwoben mit musikalischen Verweisen auf die Entstehungszeit, entsteht eine multisensorische Wunderkammer die Im Rahmen der Residenzwoche auf den hofseitigen Fassaden des Königsbaus uraufgeführt wird. Bracke schafft aus den historischen Dokumenten und Verweisen einen semantisch verwobenen Lichtraum. Seine Lichtzeichnungen bewegen sich über die Fassaden des Klenzebaus, lassen assoziative Räume entstehen und entschwinden wieder. Der Künstler führt in seinem medialen „Lichtgemälde“ die Tradition der Festilluminationen, die bis in die Barockzeit zurück reicht, in das 21. Jahrhundert fort: LichtKunstSpiele
Der Künstler Ingo Bracke arbeitet vor allem mit dem Medium Licht, spartenübergreifend als Architekt, Bühnenbildner, Kurator und Installationskünstler. Er ist 1972 geboren, Malerausbildung, Studium in Kaiserslautern, Hannover, Barcelona, Bratislava. Meisterschüler Bühnenbild an der HfBK Dresden. Meisterschüler Audiovisuelle Kunst an der HBK Saar. Kurator der »wolkenhain.aktionen« und musealer Austellungszyklen, Entwickler der Slow-Light Lichtfestivals; großformatige Lichtinstallationen: »Glow«, Eindhoven,; »Smartlight«, Sydney; »I-Light Marina Bay«, Singapur; »Luminale«, Frankfurt; »Lights«, Alingsås; Burgendämmerung, Cadolzburg, LichtKlang.Dom, Worms; dauerhafte öffentliche Arbeiten: BIC KL; Fraunhoferinstitut KL; Fritz-Walter-Stadion, Kaiserslautern; Bachhaus, Eisenach, Bondi Pacific, Sydney; Theater: »Casa Azul«, Saarländisches Staatstheater, Saarbrücken; Mozart, »La Clemenza di Tito«, Bayerische Staatsoper, München, Regie: Jan Bosse
Siehe auch www.LichtKunstSpiele.de
Der historische Kontext:
München leuchtet – Fürstliche Feierlichkeiten im 19. Jahrhundert...
Von jeher stellten »strahlende Feste« in denen sich – ganz im Wortsinne –
der Glanz einer Regierung abbildet, ein bevorzugtes Mittel für die Herrschenden dar, ihre Leistungen vor der Öffentlichkeit ins rechte Licht zu rücken – auch am bayerischen Hof. Denn: »München leuchtete«– so vermeldet es noch 1902, in den letzten Jahren der Wittelsbacher Monarchie, mit ironischem Lächeln der Schriftsteller Thomas Mann!
An diese historische Festtradition knüpfen wir in der Residenz im Jubiläumsjahr 2018 an, in dem der Stiftung der ersten bayerischen Verfassung durch König Max I. Joseph (reg. 1799 – 1825) im Mai 1818 und der Gründung des demokratischen Freistaats Bayern im November 1918 landesweit feierlich gedacht wird: Die Ausstellung eines historischen Transparentbilds, einst Teil einer geplanten Festbeleuchtung aus dem Jahr 1814, schlägt den Bogen zu den offiziellen Gedenkfeiern des frühen 19. Jahrhunderts!
Außerdem zeigt der international tätige Installationskünstler Ingo Bracke eine zeitgenössische ephemerer Festinszenierung im Königshof der Residenz München.
Kurzlebige Dekoration für einen geplanten Staatsempfang
Das gewaltige, auf dünne, lichtdurchlässige Leinwand gemalte Bild imitiert mit monochromen Braun und Grautönen den gemeißelten Figurenfries an einer klassizistischen Palast oder Tempelfassade. Dargestellt ist der Einzug der alliierten Truppen Russlands, Österreichs und Preußens in Paris nach dem Sieg über Napoleons Armeen im Herbst 1813.
Nur wenige Tage vor der entscheidenden Leipziger Völkerschlacht war Bayerns König Max I. Joseph von der Seite Napoleons auf die seiner siegreichen Gegner übergewechselt. Im Juli 1814 erwartete er den Besuch des triumphierenden Zaren Alexanders I. In Vorbereitung dieses Staatsbesuchs ließ der Münchner Hof eine nächtliche Festillumination der Residenzstadt vorbereiten. Das in nur wenigen Tagen produzierte Monumentalgemälde gehört zu den erhaltenen Resten dieser mit hohen Unkosten vorbereiteten Feier, die allerdings niemals stattfand – der Zar kam nicht nach Bayern...
Illuminierte Transparente als Bestandteil repräsentativer Feierlichkeiten
Seit dem 17. Jahrhundert galten aufwendige, im freien aufgebaute »Illuminationsprospekte« als fester Bestandteil offizieller Festlichkeiten: Es handelte sich dabei um kulissenartige, auf Gerüsten aufgespannte Bildwände aus Leinwand oder Ölpapier. Künstler bemalten sie dem jeweiligen Anlass entsprechend in transparenten Farben mit allegorischen Figuren und illusionistischen Prunkarchitekturen. Von der Rückseite beleuchtet, erstrahlten diese kurzlebigen Paläste und Schau fassaden sodann für wenige Stunden in magischem Licht. Kombiniert mit Musik, szenischen Darstellungen oder einem Feuerwerk bildeten solche lang im Voraus angekündigten Illuminationen den spektakulären Höhepunkt fürstlicher Einzüge, königlicher Hochzeiten und Siegesfeiern.
In einer Zeit, in der auch große Städte nach Einbruch der Dunkelheit höchstens schwach von wenigen Laternen erhellt wurden, hinterließen die sanft strahlenden Bildwände beim Publikum eine heute kaum noch nachvollziehbaren Eindruck, der sich aus der uralten Symbolkraft von Licht, Sonne und Feuer speiste. Kein Wunder also, dass die kurzlebigen Illuminationen ein beliebtes Mittel darstellten, Erfolge der Regierung in sinnbildlicher Form zu verherrlichen. Noch im 19. Jahr hundert gaben Europas Höfe und Magistrate leuchtende Festdekorationen in Auftrag, um Sternstunden staatlichen Lebens spektakulär hervorzuheben. Doch handelte es sich um eine nur jeweils kurzlebige Bildpropaganda: Billige Materialien, der hastige Aufbau und die Verwendung im Freien bedingten einen raschen Verschleiß, so dass sich von diesen einst allgegenwärtigen AugenblicksKunstwerken heute nur noch wenige, fragile Reste erhalten haben. Das Münchner Transparentgemälde, das zwar ausgeführt wurde, aber keine Verwendung fand, konnte geschont werden und zählt deshalb heute zu den raren Zeugnissen einer untergegangenen Festkultur.
Festilluminationen am Münchner Hof
Zehn Jahre nach den Vorbereitungen für den 1814 erwarteten Zarenbesuch er lebten die Münchner Bürger tatsächlich ei ne groß angelegte Festbeleuchtung: Anlässlich des 25jährigen Regierungsjubiläums Max I. Josephs errichtete die Stadt am Abend des 16. Februar 1824 eine aufwendige Lichtarchitektur auf dem Maximiliansplatz westlich der Residenz: Ein insgesamt über 900 Meter umspannendes Oval von Arkaden bildete den architektonischen Rahmen für insgesamt 25 Transparentgemälde. In Art einer Bilderchronik zeigten die leuchtenden Darstellungen für jedes Regierungsjahr des Königs eine vorbildliche Herrschertat Max I. Josephs. Insgesamt verherrlichten die Illuminationen den König als mildtätigen »Vater des Vaterlandes«, der den Landesausbau beförderte und sich um das Wohl seiner Untertanen sorgte.
Die historische Illumination von 1824 bildet die Grundlage einer Wiederaufnahme der spätbarockklassizistischen Festtradition durch den Installationskünstler Ingo Bracke, der im Rahmen der Residenzwoche 2018 (13./21. Oktober) die Fassaden des Königsbauhofs der Residenz bespielt. Die Motive dieser modernen Lichtbilder entstammen einem aufwendig illustrierten Festbericht, der gleichfalls 1824 erschien und die weitere Verbreitung und bleibende Erinnerung an die Münchner Jubiläumsfestlichkeiten garantieren sollte. Umrisszeichnungen überliefern die klassizistische Bildsprache der Illuminationstransparente, während ein beigefügter Kommentar die allegorischen und historisierenden Bildszenen erläutert.
Dr. Christian Quaeitzsch
Museumsleitung und Oberkonservator der Residenz München, Bayerische Schlösserverwaltung
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